#nohatespeech – Redebeitrag von ROSA zur Kundgebung am 23.11.2019 in Reutlingen

Wie steht es um die Meinungsfreiheit in Deutschland?
Eine Frage, die in den letzten Wochen bundesweit in den Medien diskutiert wird.

Während das Gericht im Fall Renate Künast beschließt, dass sich Beleidigungen wie Geisteskranke,
Stück Scheiße oder Drecksfotze „haarscharf an der Grenze des […] noch
Hinnehmbaren“ bewegen, haben vor allem rechte weiße Männer offensichtlich Angst nicht mehr
sagen zu dürfen, was sie denken.

AfD Spitzenkandidat Björn Höcke beklagt beispielsweise, 87 Prozent der Deutschen würden sich
nicht mehr trauen, zu Migration und Islam Stellung zu beziehen.
Abgesehen davon, dass sich diese Zahl in der Allensbach-Dokumentation „Grenzen der Freiheit“
die im Mai diesen Jahres veröffentlicht wurde, in diesem Zusammenhang nicht finden lässt, stimmt
auch das „sich nicht trauen“ nicht so ganz – aber darum geht es mir hier und heute eigentlich nicht.

Feststellen lässt sich aber: der Ruf nach Meinungsfreiheit ist zu einer Keule im öffentlichen Diskurs
verkommen. Rassisten, Rechtspopulisten und Rechtsradikale bedienen sich dieser, um Gegenrede
tot zu schlagen und die eigene „Meinung“ zum Mainstream ohne Widerspruch zu machen.

Sie fühlen sich durch politische Korrektheit in Ihren Grundrechten eingeschränkt, während sie
Beleidigen, Hetzen und falschen Behauptungen im Bezug auf einen Menschen oder eine
Menschengruppe in die Welt setzen.

Das hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun – das ist widerlich!

Dennoch sehen auch wir die freie Meinungsäußerung bedroht. Mit Sorge blicken wir auf die immer
wachsende Belästigung und den Missbrauch von Frauen* und anderen marginalisierten
Menschengruppen in den Sozialen Medien.

Die folgen für die Betroffenen sind verheerend: Sie berichten von Stress, Angst und Panikattacken. Viele leiden unter einem verminderten Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl und nicht selten tendieren Betroffene dazu, sich selbst zu zensieren – das zeigt eine aktuelle Umfrage.

Amnesty International beauftragte die Firma Ipsos MORI mit einer Umfrage zu den Erfahrungen
von Frauen* in Sozialen Medien. Fast ein Viertel der Befragten – 23% – gab an, mindestens einmal
Belästigung oder Missbrauch in den Sozialen Medien erlebt zu haben.
Mehr als drei Viertel – 76% – der Betroffenen änderten daraufhin ihr Verhalten. Dazu zählt die
Selbstzensur bei der Veröffentlichung eigener Beiträge: 32 Prozent der Frauen* gaben an, dass sie
ihre Meinung zu gewissen Themen nicht mehr veröffentlichen.

Unserer Meinung nach sind Soziale Medien insbesondere für Frauen* und marginalisierte Gruppen
ein wichtiger Raum, in dem sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen können.
Online-Gewalt und -Missbrauch stellen demnach eine unmittelbare Bedrohung für die
Meinungsfreiheit dar.

Diese Thematik muss unbedingt diskutiert werden! Es müssen Strukturen geschaffen werden, die
Betroffene vor Hass und Diskriminierung im Netz schützen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung
muss für alle in gleichem Maße gelten und schließt auch das Recht von Frauen* und allen Anderen
ein, sich frei zu äußern und sowohl online wie offline ein Leben frei von Gewalt und Missbrauch
führen zu können!

ARCHIV – 02.06.2018, Hessen, Wiesbaden: Eine Aktivistin der Nichtregierungsorganisation Campact steht mit einem Plakat mit der Aufschrift «Hass ist keine Meinung» am Eingang zum Landesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen in Hessen, um gegen Hassnachrichten («Hate Speech») im Internet zu protestieren. Die hessischen Grünen wollen ihr Programm zur Landtagswahl verabschieden, die am 28. Oktober stattfindet. (zu dpa «Gesetz gegen Hass im Netz – Plattformen ziehen erste Bilanz» vom 27.07.2018) Foto: Frank Rumpenhorst/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Verwendung weltweit