Prozessbericht zum 02-08-2021

„Trotz lückenhafter Erinnerungsberichte von Ralf Knop, Abteilungsleiter der Verkehrsabteilung des Ordnungsamts, und dem Polizisten Michael Traub, welcher zum Tatzeitpunkt mit Formalitäten beschäftigt war, kam es am Montag morgen, den 2. August, zum Schuldspruch. Der Angeklagte, unser Genosse, wurde wegen der abweichenden Durchführung einer Versammlung zu 20 Tagessätzen je 30 Euro verurteilt. Der Hauptverhandlung ging ein Formfehler voraus, da der Genosse keinen formgerechten Strafbefehl erhielt. Die Verteidigung zeigte sich zwar kooperativ und verzichtete auf eine Rüge, welche die Vertagung der Verhandlung zur Folge gehabt hätte, was sich aber nur mäßig auf den Prozessverlauf auswirkte. Gegenstand der Verhandlung war der Gegenprotest zu einem Lichterspaziergang der Reutlinger Pandemie-Leugner*innen am 13. März auf dem Marktplatz, bei dem die polizeilichen Einsatzkräfte trotz fehlender Gefahrenlage hart gegen Gegendemonstrant*innen durchgriffen, welche sich wenige Meter vor dem eigenen Kundgebungsbereich positioniert hatten, weswegen dem Genossen vorgeworfen wurde, zu wenig für die Einhaltung der eigenen Auflagen getan zu haben. Der Genosse selber entgegnete vor Gericht, dass zwischen dem eigenen Ankommen auf dem Marktplatz und dem Durchgreifen der Polizei zu wenig Zeit bestanden habe, um die Situation zu klären, da der Einsatzleiter der Polizei, Hr. Schwarz, es für nötig hielt, einen Gegendemonstranten wegen eines vorausgegangenen Platzverweises vom Marktplatz zu verweisen und die gesamte Situation bis zum Zurückdrängen der Gegendemonstranten nur wenige Minuten andauerte. Diese Darstellung konnte von keinem der geladenen Zeugen widerlegt werden, zumal der besagte Hr. Schwarz gar nicht erst als Zeuge geladen wurde. Stattdessen nutzte Hr. Knop seine Ladung, um sich seinen Frust von den Gegenprotesten von der Seele zu reden. Von Sachlichkeit fehlte hier jede Spur, zumal Hr. Knop selber angab, dass er sich durch „die wöchentlich stattfindenden Versammlungen sowieso nicht an jedes Detail erinnern“ könne. Auch der geladene Polizist konnte wenig zum Sachverhalt beitragen, da er während der Versammlung damit beschäftigt gewesen war, abseits des Versammlungsortes Ermittlungsverfahren auf zu nehmen.

Nachdem erst das Ordnungsamt die Gegenproteste zu den querdenkennahen Lichtspaziergängen durch strikte Auflagen zugunsten der Pandemie-Leugner*innen einschränkte und die Reutlinger Polizei grundlegende Dinge wie genügend Hör- und Sichtweite durch Polizeiketten verwehrte, wurde nun der Protest durch die Anklage des Anmeldenden sogar kriminalisiert. So stellt sich letztendlich die Frage, ob es sich nach einem derartigen Urteil in Reutlingen noch lohnt Gegenproteste zu Querdenkenveranstaltungen anzumelden. Die Zusammenarbeit mit den Behörden lässt sich als gescheitert betrachten.

„Es ist eigentlich ein Skandal, wie die Polizei meint, gegen das Versammlungsrecht und gegen Gegner der Querdenker vorgehen zu können.“ – Axel Oswald, Anwalt des Angeklagten“

Hier der Bericht vom Schwäbischen Tagblatt: https://www.tagblatt.de/Nachrichten/Wer-traut-sich-jetzt-noch-eine-Gegendemo-anzumelden-511190.html