Paketpost zur KULTURPOST – Kultur braucht Räume!

Gemeinsam mit der Crew, der Zelle und dem Jugendgemeinderat machen wir uns mit einem offenen Brief für eine Zwischennutzung der Paketpost als Kulturpost stark!


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Keck,
Sehr geehrte Vertreter*innen des Bau-, Verkehrs- und Umweltausschuss,
Sehr geehrte Fraktionsvorsitzende,

seit mehr als einem Jahr liegt ein Konzept, entwickelt vom Verein „Netzwerk Kultur Reutlingen“, für eine Zwischennutzung der ehemaligen Paketpost als Kulturpost vor. Dieses wird von der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat als eine von drei möglichen Nutzungsvarianten debattiert. Obwohl Reutlingen dringend Räume für Kultur benötigt, wird aktuell eine andere Zwischennutzung favorisiert. Wie Oberbürgermeister Thomas Keck im Interview mit dem Tagblatt erläuterte, habe die Stadt beim „Depot des Naturkundemuseums […] einen Fehler gemacht“ und dessen „Verbleib [im Heinzelmann-Areal] nicht in der Wettbewerbs-Ausschreibung festgezurrt […]“. Nun versucht die Stadt gegenzulenken und aus „Sicht der Verwaltung ist die Unterbringung des Naturkundemuseums prioritär. Andere Nutzungswünsche haben ggf. zurückzustehen.“

Wie der Verein „Netzwerk Kultur Reutlingen“ sehen auch wir: „Lager in der besten Lage Reutlingens sind vielleicht nicht die beste Idee“. Denn nun sollen Kulturveranstaltungen auf dem zentralen und für Kultur prädestinierten alten Paketpostgelände eher die Ausnahme darstellen. Dabei mangelt es in Reutlingen an Kulturstätten, Nachtleben und Räumlichkeiten für Kulturschaffende. Reutlingen braucht einen Ort für Künstler*innen, Musiker*innen, Initiativen und Arbeitsgruppen, kulturelle Veranstaltungen, Festivals, junge Gastronomie, für gelebte Inklusion, sowie für Netzwerke, Gemeinschaften und Projektgruppen. Ideen und engagierte Menschen gibt es in Reutlingen, vor allem einfache und bezahlbare Räumlichkeiten sind aber rar.

Mehrere Orte des Nachtlebens und für Kulturveranstaltungen sind aus der (Innen-)Stadt verschwunden, einhergehend mit einer Abwanderung. Für junge Menschen und Kultur hat die Stadt wenig zu bieten. Zudem sind die Auflagen und Bedingungen für das Nachtleben in Reutlingen äußerst restriktiv. Nur wenige Kneipen sind noch existent, das Aufhalten in Parks zu späterer Stunde ist nahezu unmöglich. Orte wie die Zelle wurden bereits vor Jahren aus dem Stadtzentrum an die Peripherie gedrängt. Die Interessen von Investor*innen, hier dem Immobilienhai Schöller, standen dabei im Vordergrund, niederschwellige und selbstverwaltete Kultur fiel nicht ins Gewicht. Ebenso beim Heinzelmann-Areal. Dieses wird nun von der GIEAG Immobilien Aktiengesellschaft für 50Mio. Euro entwickelt, fernab von jeglicher gesellschaftlicher Partizipation. Zuvor stand das Areal über 10 Jahre leer, obwohl auch hier eine weitere vorübergehende kulturelle Nutzung durchaus möglich gewesen wäre.

Dabei bieten Zwischennutzungen stadtpolitisch eine enorme Chance, Neues auszuprobieren, sich auszutauschen und zu vernetzen und so neue Impulse für Stadtteile zu setzen. Für uns sind Zwischennutzungen Teil eines nachhaltigen und bewohner*innenorienterten Stadtplanungsverständnisses. In Zeiten von Gentrifizierung und Verdrängung, die zahlreiche nicht kommerzielle Orte und Projekte bedroht, wollen wir nicht auf Vorgaben aus Verwaltung und Politik warten, sodass im Zweifelsfall ein großes Areal in der Stadt für Jahre nur als Lagerfläche genutzt wird. Stattdessen wollen wir selbst agieren und die Stadt aktiv gestalten.

Wir stehen ein für Alternativen, für wirklichen Austausch untereinander und eine Selbstgestaltung der Stadt. Hierfür könnte die Kulturpost ein zentraler Ort des Zusammenkommens, Austauschens und Kulturschaffens sein. Hier könnte abseits von Verdrängung und Konkurrenz ein solidarischer, lebendiger und bunter Ort für alle Menschen entstehen. Wir fordern die Möglichkeit zur gemeinsamen Gestaltung der Zwischennutzung des Areals unabhängig der Interessen von Investor*innen und Spekulant*innen. Dies ist ein erster Schritt in Richtung einer Stadt in der jede*r ideal leben kann. Unabhängig seiner finanziellen Situation, Herkunft, Alter, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung und in der jede*r sein Leben führen kann ohne Angst vor Gewalt, Beleidigungen oder Diskriminierung haben zu müssen.

Daher unterstützen wir die Forderungen des Vereins „Netzwerk Kultur Reutlingen“ und machen uns stark für eine Zwischennutzung der Paketpost als Kulturpost. Wir fordern Sie auf mit der Kulturpost eine Stätte für Kultur und gesellschaftliches Engagement zu schaffen.

Mit freundlichen Grüßen,

Die Crew
Kulturschock Zelle
Reutlingen for Organisation, Solidarity and Actions
Jugendgemeinderat Reutlingen