Redebeitrag von ROSA zum int. Frauentag 2019

Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Genossinnen und Genossen,

auch im Namen von ROSA möchte ich mich ganz herzlich bei allen Menschen bedanken, die dem
Aufruf zur Kundgebung gefolgt sind um mit uns gemeinsam den Weltfrauenkampftag hier in
Reutlingen begehen.

Seit über 100 Jahren gehen Frauen am 8. März weltweit auf die Straße – oder legen Ihre Arbeit
nieder – , um gemeinsam
– Gegen patriarchale Strukturen
– Für gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt
– Für eine klare Haltung gegen Sexismus und Gewalt
– Für selbstbestimmte und reproduktive Rechte
– Gegen Diskriminierung und Rassismus
kurz gesagt: für eine solidarische, feministische Gesellschaft und ein Leben ohne Angst,
Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen.

Das ist auch bitter nötig – denn keine unserer Rechte wurde uns geschenkt und der Weg zur
Gleichberechtigung aller Geschlechter ist noch ein langer.

Wirtschaft und Gesellschaft sind noch lange nicht geschlechtsneutral. Die Ungleichbehandlung von
Männern und Frauen spiegelt sich nicht nur in geringeren Löhnen und gänzlich unbezahlter Sorge-
Arbeit wieder, sondern auch in prekären Arbeitsverhältnissen.
Mehr als 80% der Teilzeitbeschäftigten und 2/3 der Minijobber*innen sind Frauen.

Auch die aktuelle Familienpolitik trägt zu dieser Ungleichheit bei. Ehegattensplitting, die
Anrechnung des Kindergeldes auf die Regelsätze oder Kinderfreibeträge – von denen nur
besserverdienende Familien profitieren – , führen zu Kinderarmut und schlechter Renten für Frauen.
Was wir brauchen ist eine geschlechtergerechte Sozial-, Familien- und Steuerpolitik, welche die
verschiedensten Lebensrealitäten aller Menschen berücksichtigt.

Aber hier hört es nicht auf. Patriarchale Strukturen, Rollenbilder und Vorurteile sind in uns allen
verankert und wirken tagtäglich auf uns ein. Das weibliche Geschlecht gilt als unterlegen und
minderwertig. Viel zu häufig wird der Wert von Frauen anhand herrschender Klischees und
Schönheitsidealen gemessen und zu oft werden sie als nicht eigenständige Menschen angesehen.

Gleichzeitig sind Sie selbst Schuld an Übergriffen und sexualisierter Gewalt. Denn, Sie müssten
sich ja „nur“ wehren. Im Jahr 2016 starben 149 Frauen durch ihre Partner oder Ex-Partner, 106.000
Frauen und Mädchen waren von häuslicher Gewalt betroffen.
Wir wehren uns gegen Diskriminierung, sexuelle Belästigung und Gewalt – egal ob am
Arbeitsplatz, im Verein, auf der Straße oder zu Hause.

Und Nein! Gewalt gegen Frauen ist kein importiertes Problem.
Bei den aufgeklärten „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ hat nur ein kleiner
Prozentsatz der Täter einen migrantischen Hintergrund. Gewalt gegen Frauen macht keinen
Unterschied aufgrund der Nationalität oder des gesellschaftlichen Status der Täter. Und auch unser
Kampf gegen diese Gewalt ist und bleibt ganz klar antirassistisch!

Wir werden nicht zulassen, dass Rechte und Nazis die Gewalt gegen Frauen für ihre völkische und
an sich frauenfeindliche Politik instrumentalisieren.
Wir setzen uns ein für die Freiheit und Selbstbestimmung ALLER Frauen, egal ob diese Kopftuch
tragen, Kinder bekommen möchten oder alleinerziehend sind.

Feminismus ist nicht nur Streiten für Frauenrechte. Feminismus ist Perspektiven entwickeln!
Lasst uns gemeinsam mit Arbeiter*innen für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, mit
Sexarbeiter*innen gegen diskriminierende Gesetze und mit Refugee-Aktivist*innen für
Menschenrechte kämpfen! Lasst uns gemeinsam und solidarisch die weltweit herrschenden
Verhältnisse verändern – nicht nur heute, sondern an jedem Tag im Jahr.

Frauen, die kämpfen sind Frauen, die leben!